Tuesday, October 30, 2012

circuit bending _ verquere soundmaschinen, abseits des mainstream

Wenn elektronische Musikinstrumente von Hand umgebaut und modifiziert werden, um neue Klangmöglichkeiten zu erschließen, spricht man von circuit bending. Durch Eingriffe in die Platine von meist billigen oder veralteten Geräten, durch Neuzusammensetzung von gebrauchten Bauteilen und durch den Einbau von zusätzlichen Reglern, Schaltern oder Bodycontrol-Elementen wird der Originalsound aufgebrochen und in andere Richtungen gelenkt.

Das Interessante daran ist, daß auf diesem Weg aus Massenprodukten einzigartige Exemplare mit individueller Soundcharakteristik werden. Es sind Freaks und Tüftler, die, ausgestattet mit einer Menge Neugierde und einem elementaren Grundwissen, über herkömmliche elektronische Instrumente herfallen, diese öffnen und nach dem Trial- and Errorprinzip neue Klangwege aufspüren.  

Ich besitze inzwischen eine große Anzahl von dieser Spezies. Neben deren klanglichen Eigenwilligkeit bin ich auch von der Tatsache begeistert, daß es die Komplexität dieser kruden Soundspezialisten verunmöglicht, absolute Kontrolle über das Klanggeschehen auszuüben. Gerade in einer Zeit, wo rationale Kontrolle, Sicherheitsdenken und Vorausplanung einen überhöhten Stellenwert einnehmen, empfinde ich diese Unschärfe als besonders wohltuend. Man kann sich auf diese Instrumente - im positiven Sinn - nicht verlassen. Sie besitzen ein Eigenleben, das immer wieder für unvorhersehbare und unerwartete Abzweigungen sorgt. So kommt Zufall, Intuition und spontane Reaktionsbereitschaft zum Zug. Ein "Sicheinrichten" in die Polsterung vertrauter Routine funktioniert nicht. Jede Liveaufführung wird zu einer Expedition ins Unbekannte und Überraschende.  Man bewegt sich permanent auf instabilem Boden und weiß nicht, was kommen wird - wonderful !

Faszinierend ist auch die optische Komponente. Das Setting wird durch das bunte Zusammentreffen dieser exzentrischen Klangindividualitäten zur Installation. Diesen Installationscharakter habe ich noch verstärkt, indem ich die einzelnen Module in alte Koffer gepackt habe. Das Instrumentarium wurde durch schräge herkömmliche Hardwaregeräte erweitert - der Laptop völlig weggelassen. Je nach Konzeptidee kann ich diese Module ganz unterschiedlich kombinieren. So wird jede Aufführung meines Projektes "musik aus dem koffer" zur performativen Klangforschung.       


Musik: Martin Kratochwil
Video: Max Lorenz
aufgenommen im wabi sabi pavillion, okt 2012

Viele der angesprochenen Aspekte besitzen eine starke Affinität zur Ästhetik und Haltung des wabi sabi. Die Verwendung alter, abgenutzter Bauelemente, der meist rauhe, unpolierte Sound, die Präsenz des Zufälligen und Unvorhersehbaren, die intuitive Handhabung und die Abwesenheit von glatten Oberflächen - im direkten und übertragenen Sinn - verweisen in die Welt dieser alten japanischen Denkweise.

Von den Quergeistern, die sich dem Bau von circuit bending instrumenten verschrieben haben, schätze ich besonders folktek, die ihre fipsenden, schnatternden, zischenden und dröhnenden Klangerzeuger in abgeschabte und verquere Holzkonstruktionen einbauen, und drmoonstien, ein junger Amerikaner, der aus diversen gebrauchten Bestandteilen die abwegigsten und einmaligsten Soundgerätschaften kreiert. Und dann noch selbstverständlich den Begründer der circuit bending Szene, Reed Ghazala, der in den 70iger Jahren durch Zufall darauf gebracht wurde, elektronischen Instrumenten in Handarbeit neue Klangdimensionen abzugewinnen und damit diese Undergroundbewegung in Gang setzte.

martin kratochwil

Sunday, October 14, 2012

kuchen und kunst _ offenes atelier im wabi-sabi pavillion




Der Weg zu Kuchen und Kunst war trotz nächtlicher Dunkelheit nicht zu übersehen.

Richtungsweisend war der Pförtner plaziert.






Zentrales Element im wabi-sabi pavillion war die Klanginstallation GAMELAN VIRTUELL. Das balinesische Instrumentarium war anwesend, die Musik ebenfalls, nur die Spieler fehlten. Eine eigentümlich gespenstische Atmosphäre war die Folge. Die Töne schienen von Geisterhand gelenkt durch den Raum zu schwirren. 




Die Musik stammte vom Quintett WELTEN PARALLEL, und war bei einer Performance im Klangturm St. Pölten mit Max Lorenz, Sabine Lorenz-Kalenda, Angelina Ertel, Ursula Schwarz und Martin Kratochwil im Jahr 2011 aufgenommen worden.













Oben im Saal waren unsere VERSCHACHTELUNGEN, die MOBILES aus Fundhölzern und die WANDINSTALLATION zu sehen. Die Soundinstallation MY SUITCASE IS AN ARTIST unterlegte die Schaustücke mit einem dezenten Klangsubstrat.  





















Detail aus der Wandinstallation von Martin Kratochwil, die als Basismaterial diverese Kartonagen benutzt.













Ein Mobile von Max Lorenz, bestehend aus gefundenen Holz- und Pappelementen.








Ein tönender Reisekoffer, der mit vibrierenden elektronischen Klangfeldern "befüllt" war.












Hier noch ein paar Fundstücke, die wabi-sabi Qualität besitzen und der Verarbeitung harren, aber auch in dieser puren Form eine amorphe Schönheit besitzen.